Gedichte

Dichten heisst ausdrücken, was in Worte nicht gefasst werden kann. Wunderbares Werkzeug Sprache!

Ich liebe Gedichte - hier ein paar Kostproben fremder und eigener Gedichte:

 


Lass dich nicht verführen 

Lass dich
nicht verführen

von deiner Angst
und denen die sie schüren

Ein Mensch
ist ein Mensch

Das Boot ist nicht voll

Jeder ist nicht nur
sich selbst der Nächste

und Zeit ist nicht nur
Geld

Früher war nicht
alles besser

und manchmal darfst du
den Tag auch vor dem Abend loben

Lilian Fankhauser

 

* * *

 


Geheimnis
des Glaubens

zu Lk 24,13-35

Auferstanden
in unser Leben

gehst du an unserer Seite
begegnest uns im Fremden

berührst unser Herz
wo wir es nicht vermuten

zeigst dich
wo aus dem Ich ein Wir

brichst Brot
durch unsere Hände

Lilian Fankhauser

 

* * *

 


Pflugscharen und Winzermesser

zu Jes 2,2-5

Keine
nationalistische
Siedlungspolitik
die den Gottesberg
für sich besetzt

Keine
fundamentalistische
Vision eines
Gottesstaates
mit Männern
in langen Bärten
an den Tischen
der Macht

Kein Recht
der Stärkeren
die Länder besetzen,
Wahlentscheide kaufen
und Andersdenkende
wegsperren

Keine
Politikerinnen die
Rüstungsgüter
wie die drei Affen
blind taub und stumm
den Unterdrückungsregimes
in die Hände drücken

Nein

Von allen Seiten
kommen wir
und brechen einander
am Wegrand
das Brot

Gemeinsam
machen wir Rast
schöpfen Kraft
aus sprudelnden Quellen
auf dem Andachtskissen
das Gesicht gegen Mekka
den Blick aufs Kreuz
ermutigt vom Licht des
Siebenarmigen Leuchters
beschwingt vom Klang der Meditationstrommel
oder auch einfach
im Namen der Liebe

Die Beschäftigten
in den Rüstungsunternehmen
finden einen neuen Job
Die Rekruten lernen
das Trösten und Verbinden
wir alle
das Teilen und Vergeben

Von allen Seiten
kommen wir
und schmieden
Schwerter zu Pflugscharen
Speere zu Winzermessern

Lilian Fankhauser

 


Mit ausgebreiteten Armen

Der, von dem ich erzählen will,
wurde geboren in Armut und starb,
noch jung, mit ausgebreiteten Armen
am Kreuz einen schrecklichen Tod.

Warum, worin bestand seine Schuld?
Oder anders gefragt: wem war er im Weg?
Er raubte kein Geld, kein Land, stürzte
keinen vom Thron, zog nicht in den
Krieg, schrieb nicht einmal Bücher.

Der Ort, wo er aufwuchs wie andere auch,
war ohne Bedeutung: ein Nest in den Bergen
am Rande des riesigen römischen Reiches.
Er lernte ein Handwerk, zimmerte Möbel,
bis er die Werkstatt verliess und sein Dorf

und umherzog im Land, das Wort auszusäen.

Er sah, wie man weiss, weder Rom noch Athen.
Aber er sah seinen Vater im Himmel und
sah auf der Erde die Menschen im Dunkel
und lehrte sie sehn mit anderen Augen.
Er heilte die Kranken, rief Tote ins Leben.

So zog er umher und warb um die Herzen
und sprach von der Liebe,
dem
Königreich Gottes.

Er starb, wie er lebte,
er lebte, wie er starb:
mit ausgebreiteten Armen.     

Lothar Zenetti
in: Sieben Farben hat das Licht. Worte der Zuversicht, 2006, 101.    

 

* * *

 


Fruchtbarer Boden

zu Mt 13,3-9

Fruchtbarer Boden
möchte ich sein
bereit
dein Wort
des Friedens
und der Versöhnung
zu hören
ihm Raum zu geben
es wachsen zu lassen
Frucht zu bringen

Die Kraft dazu
die Ruhe
das Vertrauen
und den Mut
hilf mir jeden Tag
neu zu finden
Gott
Hüter meiner Seele
Schöpferin Liebe

Amen

Lilian Fankhauser

 

* * *

 


Wohin gehe ich?

Nachrichten bestimmen meinen Tag,
unentrinnbar ist die Flut aus Schrecken und Chaos.
Schlagzeilen geschrieben ohne Glaube und Liebe.
Meldungen gemacht ohne Hoffnung,
zu viele Bilder gesendet ohne Bedeutung.

Wenn mir die Orientierung fehlt in dieser Welt,
zeigst Du mir einen Sinn des Ganzen.
Unter allen Medien bist Du die Botschaft,
unter allen Möglichkeiten bist Du das Ziel.
Gott, hilf mir, zur Sprache zu bringen,
was Deine Nachricht ist.

Kathrin Jütte
aus: Margot Kässmann (Hg.): In Gottes Hand gehalten. Frauengebete, Freiburg i.B.10124, 163.

 

* * *

 


Karfreitag

ist
was uns zu Boden drückt
uns den Atem nimmt
die Sicht verstellt

ist
was wir erleiden
was uns angetan wird
und wir einander antun

Karfreitag heisst
es ist finster um uns
vielleicht auch
in uns

finster
aber nicht
Gott-los

In den Gräbern
des Lebens und
des Todes
pulsiert die Liebe

Gott
sieht
Gott
hört
ist da

wartet
mit uns
wartet
auf uns

und lässt
neues Leben
keimen
zu seiner Zeit

Lilian Fankhauser

 

* * *

 


Ostern

Gottes Liebe hat
das letzte Wort
Nicht Krankheit
nicht Verrat
nicht Verzweiflung oder Tod

So sehr wir auch
zu Boden gedrückt werden
da ist eine Liebe
die ist grösser
als jede dunkle Macht

Wie Blumenzwiebeln
in dunkler Erde
lässt ihre Wärme uns keimen
Noch im Finstern bricht
neues Leben auf

Zögerlich erst
aber mit
unbändig
zärtlicher Kraft
werden wir
herausgeliebt
aus unseren Gefängnissen

Lernen
hoffen
vertrauen
danken
wachsen
reifen
lieben
leben

Lilian Fankhauser

 

* * *